Samstag, 20. Februar 2010

7. Kapitel Schönheiten der Natur

Edward POV  


Wer das Ziel kennt, kann entscheiden.
Wer entscheidet, findet Ruhe.
Wer Ruhe findet, ist sicher.
Wer sicher ist, kann überlegen.
Wer überlegt, kann verbessern.

Konfuzius, chinesischer Philosoph, 551 - 479 v. Chr.


Seit ich Musik hörte und selber die Melodien miteinander verband, wusste ich, dass ich unsterblich war. Wieso? Musik war die Sprache der Seele. Und der wurde man nie müde. Während meines ganzen bisherigen Daseins fragte ich mich nach dem Sinn meiner Existenz. Warum musste ich ewig alleine auf der Welt umherwandeln ohne ein wirkliches Ziel. Denn wenn man die Ewigkeit vor sich hatte und schon eine halbe hinter sich, so war es schwer noch etwas zu finden, was man noch nicht versucht hatte. Doch bei der Musik war es anders, sie ging stets mit der Zeit.

Wenn ich am Klavier saß und meine Finger über die Tasten schweifen ließ, war ich in meiner eigenen Welt. Immer sah diese Welt anders aus. Während ich am Klavier saß, war ich kaum ansprechbar. Wären meine scharfen Sinne nicht da, könnte neben mir ne Bombe in die Luft gehen und ich würde das nicht merken.

Doch hier im Musiksaal fiel es mir schwer in meine eigene Welt abzudriften und mich richtig zu entspannen. Es schwirrten zu viele Stimmen in meinem Kopf umher. Einige waren leiser, das waren meist die von den Jungen. Die hatten selten vernünftige und zusammenhängende Gedanken. Die Mädchen hingegen konnte man gar nicht überhören. Wenn ich so was wie Kopfschmerzen bekommen könnte, dann hätte ich jetzt gerade welche. Doch aus einer Ecke kam absolut kein Ton. Nur Stille, wie immer. Ich verstand das nicht. Warum konnte ich die Gedanken von Bella nicht hören? Was war an ihr anders? Konnten Menschen unterschiedlich denken?

Sie war bisher der einzige Mensch den ich nicht hören konnte, aber ihre Gedanken interessierten mich im Moment mehr als jemals die eines anderen. Ich würde alles dafür geben. Ich würde meine Gabe sogar aufgeben, um nur sie zu hören. Dennoch hatte ich eine andere Möglichkeit bei ihr gefunden. Ein Blick in ihre schönen Augen und ich hatte immerhin eine Ahnung in welcher Stimmung sie war.

Als die Mädchen des Kurses noch eine Zugabe haben wollten, überlegte ich kurz was ich spielen konnte. Ich hatte in der Nacht ein neues Stück komponiert. Ich hatte diese Melodie schon auf der Lichtung im Kopf. Als ich Bella über das Gras streichen sah und ihr verträumt trauriger Blick mich traf, lauschte ich dem Wind. Das Rauschen durch die Blätter hatte einen angenehmen Klang, genauso wie ihre Gegenwart angenehm war, na ja bis auf ihren verlockenden Blutgeruch. Er brachte mich ständig an den Rand meiner Selbstbeherrschung, dennoch mochte ich sie als Person und wollte sie um mich haben.

Ich spürte ihren Blick und sah ihre schmale Gestalt aus dem Augenwinkel. Ein kleiner Windhauch wehte ihren unvergleichlichen Duft zu mir. Ich sagte Mr. Mclachlan, dass ich ein selbstgeschriebenes Stück hätte und begann zu spielen. Ich hatte es aus dem Klang des Windes erschaffen und dabei nur an Bella gedacht. Jede Note spiegelte eine Emotion oder einen Ton ihrer harmonischen Stimme wider. Ich hatte immer die Stimmung der Lichtung und Bellas Bild in meinem Kopf als ich in der Nacht an meinem Flügel saß. Es fehlte noch das Ende, aber ein Ende wollte ich eigentlich gar nicht.

Ich wollte nicht, dass meine Zeit mit Bella irgendwann ablief. Sie war etwas besonderes, auf ihre eigene Art. Nie hatte ich das Bedürfnis einen Mensch näher kennen zu lernen. Aber Bella faszinierte mich, ihre Seele wollte ich ergründen und das Gold in ihr finden. Ich war mir sicher, dass sie eine reine und unschuldige Seele hatte und auch so etwas war mir bisher noch nicht begegnet. In mir haftete trotz allem das Gefühl, dass auch Bella ein Geheimnis hütete. Ich konnte mir noch nicht ausmalen was für eines, aber es schien ihre Seele zu belasten. Vielleicht konnte ich ihr Vertrauen soweit gewinnen, sodass sie sich mir öffnete.

Auch jetzt dachte ich nur an Bella, immer wieder sah ich aus dem Augenwinkel zu ihr hinüber. Sie schien vollkommen in ihren Gedanken versunken zu sein, ihr Geist steckte in diesem Moment an einem anderen Ort. Langsam kam ich auf das Ende zu und spielte etwas langsamer um nicht zu abrupt abzubrechen. Doch das Ende kam leider ziemlich unvorbereitet. Ich wurde für einen kurzen Moment abgelenkt. Auf einmal hatte ich ein verschwommenes Bild im Kopf. Ich drehte mich zu der Quelle um. Für einen Augenblick schaltete sich mein Verstand ab. Vor meinen Augen flimmerte das Bild der Lichtung, es regnete in Strömen und in der Mitte hockte ein schluchzendes Mädchen, welches Bella verflucht ähnlich sah. Doch genauso schnell wie die Szenerie kam, verschwand sie auch schon wieder. Ich blinzelte ein paar mal schnell, um mich wieder zu fassen.
Ich nahm meine Finger von den Tasten und nahm wie durch Watte den tosenden Applaus, welcher nach der Stille ausbrach, wahr.

Was hatte das gerade zu bedeuten? Kam diese Erinnerung von Bella oder war sie in meinem Kopf entstanden? Ich konnte mich allerdings nicht erinnern je so eine Szene gesehen zu haben. Es konnte nur von Bella kommen, aber wieso konnte ich so ein Bild sehen? Das war verwirrend, ich kam einfach nicht hinter das Geheimnis welches Bella umschwirrte. Ich hatte sie schon einmal hören können, als sie sich über mich aufregte, bei ihrer Ankunft, aber danach war wieder Ruhe.

Ich schüttelte meinen Kopf, um die Gedanken zu vertreiben, damit ich mich langsam wieder auf meine Umwelt konzentrieren konnte. Langsam ging ich zu meinem Platz neben Bella. Ich ließ mich neben ihr auf den Sitz sinken und sah zu ihr hinüber. Sie starrte immer noch wie gebannt auf den Flügel, als würde sie dort alle Antworten auf sämtliche Fragen finden. Blinzend kam sie nach kurzer Zeit wieder zu sich und sah mich dann aus ihren unendlichen, braunen Tiefen an. Ich versank augenblicklich in ihnen, versuchte mich aber weiterhin zusammenzureißen.

Zum Glück beendete Mr. Mclachlan seinen Unterricht heute früher, ich hatte wirklich keine Lust mehr mir dieses miserable Geklimper anzuhören. Als Tylor nach mir am Flügel war und auf die Tasten regelrecht einschlug, lief es mir eiskalt den Rücken hinunter. Das wollte ich nicht länger ertragen.

Nun schlenderte ich mit Bella in Richtung Parkplatz, um dort auf den Rest meiner Familie zu warten. Ich setzte mich hinters Steuer nachdem ich Bella sicher auf dem Beifahrersitz wusste und Alice und Jasper hinten im Auto saßen. Ich hielt vor Bellas Haustür, stieg aus um ihr die Tür zu öffnen und bot ihr meine Hand. Als sie im Haus verschwunden war, brachen Alice und Jasper in Lachen aus. Verwirrt schaute ich sie an. Während der ganzen Fahrt hatte Alice sich mit Bella unterhalten, Jazz und ich waren schlau genug um uns aus den Frauengesprächen herauszuhalten. Auch aus Alice’ Gedanken hatte ich mich ausgeklinkt, anscheinend hatte ich etwas verpasst.

Darf ich vielleicht auch mitlachen?“, fragte ich nach hinten, als ich wieder einstieg.
„Merkst du eigentlich, dass du dich aufführst wie ein verliebter Trottel?“, stellte Alice die Gegenfrage.
„Wie zum Teufel kommst du denn darauf, dass ich verliebt bin? Sie ist ein Mensch.“, stellte ich klar. Ich konnte mich nicht auf einen zerbrechlichen Menschen einlassen. Das wäre vie zu riskant für meine Familie und mich und auf jeden Fall zu gefährlich für sie.
„Ed, du solltest mal dein Gesicht sehen, wenn sie in der Nähe ist.“, meinte Alice grinsend. „Außerdem hast du in der letzten Nacht etwas komponiert, das tatest du das letzte Mal als du dich auf Tanya eingelassen hattest und…“
„Gott Alice, hör mir bloß auf mit Tanya, das damals war ein Fehler, ich hatte mir meine Gefühle nur eingebildet. War ja auch kein Wunder, nachdem sie mich über zehn Jahre angemacht und genervt hatte.“, motze ich sie an.
„Ach komm schon, gib es zu. Du magst Isabella.“, drängte Alice weiter.
„Bella.“, verbesserte ich automatisch. „Und ja, ich mag sie, aber nicht mehr und nicht weniger. Frag doch deinen Liebsten!“, sagte ich und deutete mit einer Kopfbewegung auf Jasper, welcher bisher geschwiegen hatte. Jasper hob nur abwehrend seine Hände.
„Lasst mich da bitte schön raus, tut so als wäre ich gar nicht da.“ Damit hatte ich was ich wollte und sah Alice überlegen grinsend an. Ich sah noch wie sie beleidigt in den Sitz zurück sank, bevor ich wieder ausstieg.

Ich öffnete Bella, die wieder aus dem Haus kam, die Beifahrertür und ließ sie einsteigen. Als wie alle wieder im Auto saßen, fuhr ich die letzten paar Meter zum Hof. Bella und Alice verschwanden gleich als der Motor aus war im Stall. Ich wollte nur schnell nachsehen, ob Carlisle da war, damit er mir vielleicht einige meiner Fragen beantworten konnte und dann auch in den Stall gehen. Jazz hielt im Gehen am Ärmel fest. Ich drehte mich zu ihm und sah ihn fragend an.

*Du empfindest etwas für sie.*, stellte er in Gedanken fest und schmunzelte leicht. Verärgert drehte ich mich wieder um und ging kopfschüttelnd davon. Sie sollten einfach aufhören sich in mein Privatleben einzumischen. Obwohl ich ja hier der jenige war, der nicht immer die Privatsphäre der anderen achtete, aber dafür konnte ich schließlich nichts.

„Dad, bist du da?“, rief ich leise durchs Haus.
„Hallo Edward, nein er ist noch im Krankenhaus. Möchtest du etwas Bestimmtes von ihm?“, sagte Esme an Carlisles Stelle.
„Hi Mom, ich wollte ihn nur etwas fragen, aber das geht auch später. Ich geh wieder raus. Bis nachher.“, sagte ich, umarmte sie noch kurz und verschwand dann aus dem Haus.

Im Stall hörte ich Alice wieder mal aufgeregt herumspringen. Womit hatte Bella sie wohl erfreut?

„Na Flummi, was hat Bella dir Gutes getan?“, fragte ich und wirbelte sie kurz herum.
„Verdammt, Ed lass mich runter.“, protestierte sie. Ich stellte sie wieder auf ihre eigenen Füße und sah zwischen den beiden Damen hin und her.
„Alice hat mich zu eurer Bootsparty eingeladen.“, antwortete Bella und wirkte ein wenig überrumpelt. Ich schaute durchdringend Alice an.

*Was? Ich hab gesehen, dass sie zusagen wird, das wird bestimmt lustig.*

Ich schüttelte nur unmerklich meinen Kopf. Eigentlich hatte ich nicht vor zur Alice Party zu gehen.

*Jetzt wirst du es tun. Du kommst ob du willst oder nicht.*, dachte Alice und blickte mich schelmisch an. Damit war meine Abendplanung für Freitag wohl beschlossene Sache.

„Freut mich, dass du auch kommst, Bella. Das wird sicher lustig.“, sagte ich an Bella gewand.
„Alice, bitte freu dich nicht zu früh, ich muss erst meinen Dad um Erlaubnis beten.“ Bella schien sich auf einmal sehr unwohl zu fühlen. Es bestätigte meine Annahme, dass sie nicht sonderlich gut auf ihren Vater zu sprechen war. Auch bei mir hatte er keinen guten Eindruck hinterlassen, als er mit Bella Eclipse zu uns brachte.
„Ach dein Vater wird es dir schon erlauben. Es ist immerhin die beste Gelegenheit, die Leute außerhalb der Schule kennen zu lernen.“, meinte Alice zu Bella.

Leicht seufzend gab diese nach und verschwand dann in der Sattelkammer.

„Muss das immer sein?“, fragte ich meine Schwester.
„Was denn? Du bist doch der Letzte, der etwas dagegen hat.“

Damit hatte sie leider Recht. Ich hatte absolut gar nichts dagegen Bella außerhalb der Schule und der Reiterei zu sehen. Ich würde sie am liebsten immer um mich haben. Doch diese Gefühle waren so fremd für mich. Ich musste erst herausfinden wie ich damit umgehen sollte. Bella kam in diesem Moment aus der Sattelkammer. Über ihre Schulter hatte sie einen Kappzaum gelegt und unterm Arm trug sie einen Longiergurt und eine Longe.

„Wenn ich sie schon nicht reiten kann, werde ich Eclipse eben longieren.“, erklärte sie, als sie meinen fragenden Blick sah.
„Soll ich dir vielleicht etwas zur Hand gehen? Du könntest sicher mehr als eine Hand gebrauchen, bei dem was du vorhast.“
„Danke Edward, ich könnte wirklich Hilfe gebrauchen.“, erwiderte sie und wurde ein wenig rot.

Lächelnd trat ich zu Bella und nahm ihr die Ausrüstung ab. Sie öffnete die Boxentür und ließ mich zuerst in die Box. Wie nicht anders zu erwarten, wich die dunkelbraune Stute ans hintere Ende zurück um soweit wie möglich von mir entfernt zu sein. Tiere und besonders Pferde hatten einen ausgeprägten Fluchtinstinkt und mieden die Gegenwart von Raubtieren, wie auch ich eines war. Ich redete beruhigend auf die Stute ein, aber erst als Bella mit dem Putzkasten die Box betrat, entspannte sich Eclipse und spitzte die Ohren.

„Na dann lass uns mal anfangen. Putzt du die eine und ich die andere Seite?“, fragte ich Bella. Sie nickte nur und reichte mir einen Striegel. Ich stellte mich an die linke Seite und entfernte vorsichtig, aber gründlich den groben Schmutz. Währenddessen hörten Bella und ich nicht auf leise mit dem Tier zu reden. Ich hörte wie sich der Herzschlag verlangsamte und fühlte wie sich die Muskeln entspannten.
„Also Edward, erzähl mal was von dir und deiner Familie!“, sagte Bella nach ein paar Minuten. Fragend schaute ich sie an.
„Was möchtest du denn wissen?“
„Am liebsten alles.“, platze es aus ihr heraus und prompt wurde sie wieder rot uns senkte verlegen ihren Blick.
„Das könnte dann aber etwas dauern.“, erwiderte ich schmunzelnd und ihre Röte vertiefte sich noch etwas.
„Na los, lass uns zum RoundPen gehen, da kannst du mich dann fragen was immer du willst.“

Eclipse hatte sich mittlerweile an meine Gegenwart gewöhnt und ließ sich ruhig von mir zum RoundPen führen. Bella lief an meiner Seite mit der Peitsche in der Hand.

„Also erste Frage. Ich weiß zwar wann du Geburtstag hast, aber nicht wie alt du bist.“, fing Bella an.
„Was denkst du denn wie alt ich bin?“ Wenn sie wüsste, würde sie in Ohnmacht fallen oder schreiend wegrennen.
„Ich denke du kannst nicht älter als 20 sein, sonst müsstest du schon in einer höheren Klasse starten, zudem bist du in meiner Klassenstufe und ich halte dich keinesfalls für jemanden der sitzen bleibt. Ich würde sagen du bist 18?“
„Ich bin 17, aber gut geschlussfolgert.“

Bella öffnete das Tor und ich führte ihr Pferd in die Mitte und verschnallte die Doppellonge durch den Longiergurt in die Ringe des Kappzaums. Bella trat an meine Seite, ich wickelte die Longe ab.

„Ok, zweite Frage. Wie lange reitest du schon?“
„Seit ich 4 bin.“ Gott, ich hasste es sie anlügen zu müssen.
„Du sagtest gestern dein Pferd ist fünf. Wie lange hast du ihn schon?“, fragte Bella weiter, während ich Eclipse nach außen schickte und im Schritt um uns herum gehen ließ.
„Twilight ist bei uns auf dem Hof geboren, ich habe ihn also vor fünf Jahren bekommen.“
„Hast du ihn auch selber ausgebildet?“
„Ja, wir bilden unsere Dreijährigen hier alle selber aus, da wechseln wir fünf uns ab. Und Twilight ist mir gleich nach seiner Geburt ans Herz gewachsen.“ Unwillkürlich breitete sich ein Lächeln auf meinem Gesicht aus.
„Lebt ihr schon lange in Forks?“, löcherte sie mich weiter.
„Vor zwei Jahren sind wir hierher gezogen, aber der Hof gehört meinem Dad schon länger.“
„Darf ich fragen wo ihr vorher gelebt habt?“
„Bella, ich du kannst mich alles fragen.“, meinte ich lächelnd in ihre Richtung.

Ich nahm ihr kurzerhand die Peitsche aus der Hand und hielt sie hinter die Stute. Diese kleine Geste reichte um sie antraben zu lassen. „Also… bevor wir hierher zogen, lebten wir in Kanada in der Nähe von Calgary.“

„Warst du zufällig beim Spruce Meadow Turnier vor zwei Jahren?“ Nun wurde sie ja langsam detaillierter. Ich musste leicht schmunzeln.
„Du erinnerst dich also an mich?“, stellte ich die Gegenfrage.
„Also warst du wirklich der Junge in den in hineingerannt war?“
„Beantwortest du jetzt meine Gegenfrage mit einer Gegenfrage?“, fragte ich spielerisch.
„Sieht ganz so aus.“, antwortete sie keck. „Also warst du es damals?“

„Sieht ganz so aus.“, sagte ich mit ihren Worten und konzentrierte mich dann wieder auf ihre Stute. Ich nahm beide Enden der Longe etwas auf um Eclipse etwas in die Mittel zu lotsen. Bella nahm mir die Peitsche wieder ab und ich wendete Eclipse. Danach schickte ich sie wieder nach außen. Sie reagierte sehr fein auf die kleinsten Hilfen und schon gestern waren mir ihre schwungvollen Gänge aufgefallen.
„Warst du damals auch mit Twilight da?“
„Nein ich hab Jasper begleitet. Er hatte ein kleines Springen und ich musste Turniertrottel spielen.“

Ich hörte Bella hinter mir leise kichern. Ich drehte mich etwas zu ihr und sah ihr belustigtes Gesicht über meine Schulter blicken.

„Was ist so lustig?“, fragte ich sie auch lachend.
„Ich kann mir nicht wirklich vorstellen, dass du als Jaspers Turniertrottel überall hinterher läufst.“, sagte sie glucksend.
„Du kennst uns doch noch gar nicht wirklich. Also sollte es dir auch schwer fallen mich in dieser Rolle zu sehen. Aber warum könntest du dir das nicht vorstellen?“ Jetzt wurde ich neugierig.
„Na ja… ich… du…“, fing sie an zu stammeln.

Warum war sie auf einmal so nervös? Ich wartete immer noch auf ihre Antwort, doch Bella schien lieber meinen Rücken begutachten zu wollen. Wieder musste ich schmunzeln, als ich ihren bohrenden Blick spürte. Während ich ihre Antwort erwartete, ließ ich Eclipse durch ein kurzes Zungenschnalzen angaloppieren. Flüssig sprang sie in einen lockeren Dreitakt und fand selbstständig eine geschmeidige Anlehnung. Sie musste sich sehr angenehm reiten lassen und machte sicher auch einer zierlichen Reiterin wie Bella kaum Probleme.

*Was für ein schönes Bild.*

Ich sah zum Zaum und sah dort Jasper stehen, welcher uns bei der Arbeit zusah.

„Hi Jazz.“, sagte Bella, als auch sie ihn entdeckte.
„Hallo Bella.“ Warm lächelte er sie an. Bella wurde schon wieder rot und schenkte ihm ein schüchternes Lächeln. Skeptisch sah ich zwischen den beiden hin und her.

*Beruhige dich Edward. Ich will nichts von ihr, hab genug zu tun mit meiner Alice.*, dachte er schmunzelnd und sandte mir einen vielsagenden Blick.

„Hey Bella hast du dir mein Angebot noch überlegt?“, fragte Jasper an Bella gewandt. Ich brachte Eclipse zum Halten während Bella zum Zaum ging um mit Jazz zu reden.
„Klar ich würde mich gerne von dir trainieren lassen, was willst du denn dafür haben?“ Sie glaubte doch nicht ernsthaft, dass einer hier von ihr Geld annahm. Bis auf die Unterkunft von Eclipse, die wir leider einkassieren mussten um nicht aufzufallen, verzichteten wir auf Geld, denn davon hatten wir auch so reichlich.

Jasper fing nach dieser Frage an zu lachen.

„Keine Sorge Bella. Ich möchte nur eine motivierte und engagierte Schülerin, mehr nicht.“, meinte Jazz.
„Na gut wie du meinst und wann fangen wir an? Ich werd die Schiene am Donnerstag los.“ Bella war ganz hibbelig wegen der ganzen Sache mit Jazz. Sie schien auch ihn gleich in ihr Herz geschlossen zu haben. Sie zeigte einfach nicht die übliche Ablehnung uns gegenüber. Aber war schon normal an ihr?

Plötzlich drehte sich Bella wieder zu mir um.

„Edward magst du sie auf der anderen Hand noch abgaloppieren?“, fragte sie
„Sicher.“
„Gut und Jasper hast du vielleicht Lust und Zeit dich kurz mal drauf zu setzen? Ich würde ja selber, aber…“, sie brach den Satz ab und deutete auf ihren Arm.
„Kann ich gerne machen, wenn du das möchtest.“, sagte er.

Bella nickte ihm zu und kam dann wieder zu mir. Ich wendete Eclipse wieder, nahm Bella die Peitsche ab und trieb das Pferd wieder in den Galopp. Doch auf dieser Hand sah die Gangart nicht so locker aus. Sie verkrampfte das rechte Hinterbein und setzte es nicht richtig unter ihren Körper. Es fiel nicht sonderlich auf und für menschliche Augen war dieser kleine Fehler wahrscheinlich gar nicht sichtbar, aber er war da. Nach ein paar Runden hielt ich sie wieder an und wickelte die Longe auf. Gemeinsam machten wir uns auf den Weg zu Jasper, der schon am Reitplatz wartete.



Jasper POV


Das Angebot von Bella ihre Stute zu reiten, hätte ich zu diesem frühen Zeitpunkt nicht wirklich erwartet. Sie überraschte mich sehr als sie mich fragte. Alice meinte schon, dass Bella irgendwann mal fragen würde, konnte aber keinen genauen Zeitpunkt festsetzen.
Nachdem ich beim Reitplatz ankam, räumte ich zunächst sämtliche Stangen und Planen weg, die ich für die Ausbildung der jungen Pferde benötigte. Als ich fertig war, kamen auch schon Edward und Bella mit Eclipse. Diese hatte nun statt des Longiergurtes und Kappzaums einen Dressursattel und eine Kandare drauf. Ich spürte die Nervosität des Pferdes und auch Bella hatte mit ihren Gefühlen zu kämpfen.

„Ist es wirklich in Ordnung für dich wenn ich sie reite?“, fragte ich deshalb. Doch Bella nickte nur lächelnd und drückte mir die beiden Zügel in die Hand. Eclipse scheute kurz und riss den Kopf nach oben. Sie hatte Angst vor mir. Immerhin hatte die Stute die richtigen Gefühle in unserer Gegenwart, im Gegensatz zu ihrer Besitzerin. Ich schickte der Braunen ein beruhigendes Gefühl und tätschelte ihren muskulösen Hals. Dann stellte ich mir vor das Pferd. Hier war ich außerhalb ihres Sichtfeldes, doch sie blieb ruhig. Ich nutzte weiterhin meine Gabe um sie zu entspannen, denn nur mit einem lockeren und entspannten Pferd konnte man effizient arbeiten. Nach einer Weile lösten sich ihre Muskeln, ich hob langsam meine Hand und strich vorsichtig zwischen ihren Augen entlang. Sie zuckte etwas vor meiner Kälte zurück, blieb aber stehen. Weiterhin strömten beruhigende Wellen von mir aus auf die Umgebung. Ich sah kurz zu Edward und Bella. Edward hatte einen gespannten Ausdruck im Gesicht, Bella nickte erneut.

Ich trat nun an ihre rechte Seite, ließ den Steigbügel runter und stellte ihn auf meine Länge ein. Das Gleiche machte ich auf der anderen Seite, ich nahm die Zügel des Trensengebisses in die Hand und stellte meinen linken Fuß in den Bügel. Eclipse tänzelte etwas zu Seite, schnell schickte ich ihr ein stärkeres beruhigendes Gefühl und sie blieb wieder stehen. Ich schwang mich langsam und behutsam auf ihren Rücken und setzte mich aufrecht in den Sattel. Den Kandarenzügel ließ ich erstmal außer Acht. Nachdem sich Eclipses Muskeln wieder gelockert hatten, legte ich sanft meine Schenkel an und wies ihr an sich in Bewegung zu setzen. Sie hatte von Natur aus einen langen Schritt, geschmeidig und ausschreitend. Ihren Kopf konnte sie aufgrund der langen Zügel nach unten strecken. Sie dehnte sich ohne mein Einwirken - kluges Pferd.

Nach ein paar Runden im Schritt quer über den Platz, nahm ich beide Zügel langsam auf, sodass sie die Chance hatte sich an die Anlehnung zu gewöhnen. Nachdem ich einen stetigen Kontakt zum Pferdemaul hatte, spannte ich meine Beine etwas an und saß tiefer in den Sattel ein. Prompt setze sie zu einem fast schwebenden Trab an. Ich fing sofort an leicht zu traben, sie hatte immer noch eine perfekte Anlehnung, also ließ ich den Kandarenzügel wieder lockerer.

*Sie sitzt sich fantastisch, leichtfüßig und gleichmäßig.*, dachte ich und sah in Edwards Richtung. Dieser nickte zur Bestätigung.

Eclipse arbeitete wunderbar mit, jede noch so leichte Hilfe nahm sie an, sie bog sich auf dem Zirkel und in den Volten. Selbst die Wechsel in den Schlangenlinien meisterte sie perfekt. Während der letzten Jahre musste sie sehr gut geritten worden sein.

Ich dachte zurück an manche meiner Ausbildungspferde, viele waren leicht zu handhaben, da ich der erste war mit dem sie in Kontakt kamen wenn es ums Einreiten ging. Leider gab es auch immer wieder Tiere bei denen ich mich stark auf meine Gabe verlassen musste, anstatt auf mein reiterliches Können. Diese Pferde hatten meist schlechte Erfahrungen in ihrer Vergangenheit gemacht oder wurden einfach falsch eingeritten.

Ein plötzliches Rucken am Zügel ließ mich aus meinen Gedanken fahren. Eclipse hatte meine Unachtsamkeit bemerkt und ausgenutzt um ihren Hals lang zu machen. Ein kurzes Annehmen des Kandarenzügels brachte sie schnell zurück in die Anlehnung.
Ich hörte Edward leise kichern. Idiot. Doch das Kichern wurde nur noch lauter. Bella sah ihn irritiert von der Seite an, doch Ed schüttelte nur seinen Kopf.

*Na warte, wenn wir erstmal alleine sind heute Abend.* Grinsend sah er mich an und zwinkerte kurz.

„Bella hast du noch was vor mit ihr, oder kann ich richtig mit ihr arbeiten?“, fragte ich nach einer Weile.
„Nein, mach nur, das tut ihr mal wieder ganz gut. Nicht, dass sie zu sehr aus dem Training kommt.“, sagte sie. Ich nickte nur und nahm die Zügel wieder etwas auf. Ich lenkte sie im Trab auf den Zirkel und ließ sie in der Ecke angaloppieren. Sie sprang geschmeidig an. Wie erwartet hatte sie einen sehr schaukelnden Galopp, man fühlte sich wie auf einem dieser Schaukelpferde. Sie sprang sehr schön aufwärts und besaß eine gute Grundschnelligkeit. Trotz der großen Sprünge, die sie machte, verlor sie nie die Anlehnung und war auf in dieser Gangart sehr aufmerksam an den Hilfen. Ich ließ sie weiter auf dem Zirkel gehen. Zur offenen Seite hin legte ich den inneren Schenkel etwas nach hinten und verlagerte leicht mein Gewicht. Eine halbe Parade am äußeren Zügel und sie sprang kaum merklich auf die andere Hand und galoppierte nun in die andere Richtung. Nach zwei Runden parierte ich sie zum Trab und dann in den Schritt. Eclipse senkte mit einem lauten Schnauben den Kopf und dehnte sich nach vorne. Ich gab ihr eine kurze Verschnaufpause und wollte sie dann etwas testen und herausfordern. Ich wollte herausfinden wie weit sie gehen konnte, was sie schon drauf hatte und woran man eventuell arbeiten musste.

Ein paar Minuten später trabte ich mit Eclipse wieder durch die Bahn. In der nächsten Ecke setzte ich mich schwer in den Sattel und trieb sie in den starken Trab, als ich sie durch die ganze Bahn wechseln ließ. Ihre Vorderhufe flogen weit nach vorne, doch sie trat nicht richtig unter ihren Schwerpunkt und zog die hinteren Beine zu doll nach. In der anderen Ecke angekommen, versammelte ich sie etwas mehr um in der nächsten Ecke wieder abzuwenden und sie anzutreiben. Ich hielt diesmal die Zügel etwas mehr auf Zug. Ein leichter Ruck ging durch ihren Körper und ihre Gang wurde noch fließender. Jetzt trat sie schon besser unter, dennoch war ich nicht zufrieden, ein Punkt an dem man arbeiten konnte. Als nächstes probierte ich ein paar Trabtraversalen, doch hier sperrte sie sich völlig, machte das Maul fest und versteifte das Genick. Ich ritt einmal um die ganze Bahn und gab ihr immer wieder halbe Paraden, langsam lösten sie die Verspannungen, bis sie auch die feinen Hilfen wieder annahm. Ich setzte wieder zu einer Traversale an. Nach ein paar gelungenen Schritten ritt ich geradeaus weiter und lobte sie.

Mittlerweile färbte sich das Fell von Eclipse am Hals schon dunkel und da man nach einem guten Ergebnis aufhören sollte, parierte ich sie zum Schritt, ließ sie die Zügel aus der Hand kauen und klopfte lobend ihre Schulter.
Ich lenkte die Stute zum Ausgang wo Edward und Bella standen und stieg bei ihnen angekommen ab.

„Du hast wirklich ein außergewöhnliches Pferd, Bella.“, sagte ich und sah Bella erröten.
„Danke, sie ist auch das wichtigste in meinem Leben.“
„Hast du sie so gut trainiert? Sie geht super. Ein paar Sachen kann man noch ausbügeln, aber im Großen und Ganzen stünde einer Dressurprüfung nichts im Wege.“
„Danke Jasper. Das bedeutet mir sehr viel und mit deiner Hilfe werden wir wohl ein noch besseres Pferd aus ihr machen.“, meinte sie grinsend. Auch Edward sah sie mit einem Lächeln von der Seite an. Die beiden strahlten ein unglaublich starkes Glücksgefühl aus, es erschlug mich fast.
„Na gut lass sie uns absatteln und auf die Koppel lassen, da kann sie sich noch etwas erholen.“, meinte Edward, der als erster die Sprache wieder fand.

Ich führte Eclipse an den beiden vorbei zum Putzplatz. Gemeinsam sattelten wir sie ab und putzten sie über. Eclipse hatte ihre Unterlippe leicht vorgeschoben und die Augen halb geschlossen, ein Zeichen dafür, dass sie entspannt war. Keiner von uns sprach ein Wort bis wir die Stute auf die Koppel entlassen hatten und zurück zum Hof liefen. Bella und Edward räumten die Ausrüstung wieder in die Sattelkammer, währenddessen lief ich schnell ins Haus und holte Bella einige Unterlagen. Ich sah die beiden an der Stalltür lehnen.

„Hier, ich hab dir ein paar Unterlagen zusammen gesucht. Das sind Turnierdaten, Trainingszeiten und weitere Angebote des Hofes.“ Ich übergab Bella die Mappe.
„So und dann möchte ich dich recht herzlich bei uns im Team begrüßen.“ Lächelnd bedankte sie sich.
„Danke Jungs, für eure Hilfe heute. Ich werd mich mal langsam auf den Weg machen. Wir sehen uns morgen in der Schule.“ Sie verabschiedete sich von uns beiden uns verließ den Hof.

Langsam drehte ich mich um und ging Richtung Villa.

„Hey Jazz, ich an deiner Stelle würde aufhören mit ihr zu flirten. Wenn Alice davon Wind bekommt, kannst du nie mehr ruhig leben.“, sagte Edward halb ernst, halb amüsiert.
„Also gibst du endlich zu, dass du was von ihr willst.“, stellte ich fest, ohne auf seine Anspielung einzugehen.
„Du bist manchmal echt schlimmer als ich mit deiner Gabe.“, wich er wieder aus. Brüderlich schlug ich ihm auf die Schulter.

„Das ist jetzt die Rache dafür, dass du gelacht hast vorhin.“, sagte ich und verschwand schnell im Wald. Doch Ed, als schnellster Läufer der Familie, hatte mich schnell eingeholt und warf mich spielerisch knurrend zu Boden. Unsere kleine Rauferei dauerte keine fünf Minuten bis ich aufgab. Es hatte keinen Sinn gegen Edwards Gabe anzukämpfen. Also kehrten wir leicht zerzaust zum Hof zurück.

„Und wirst du heute Nacht wieder weg sein?“, fragte ich neugierig.
„Ich denke schon.“

Damit war Edward auch schon verschwunden. Ich sprach die Veranda hoch zum Hause. Ich würde mir heute noch einen schönen Abend mit meiner kleinen Elfe machen und ihr jeden Wunsch von den Augen ablesen.